Ereignisse in der jüngsten Zeit wie zum Beispiel die Halbleiterkrise, die Blockade des Suezkanals und die COVID-19-Pandemie weltweit zu Lieferengpässen. Dies zwang Hersteller, durch Anpassungen ihrer Kapazitäten oder kurzfristige Umstrukturierungen der Lieferketten zu reagieren. Um die Logistik optimal zu planen, zu steuern und effektiv auf temporäre sowie kurzfristige Veränderungen zu reagieren, sind verschiedene Informationen über Produkte, Prozesse und Ressourcen unerlässlich. Zusätzlich steigen die Anforderungen durch gesetzliche Rahmenbedingungen bezüglich Nachhaltigkeit, wodurch neben ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten, auch die dafür benötigten Informationen an Bedeutung gewinnen. Daher ist eine vernetzte Logistik erforderlich, um die geforderte Flexibilität, Widerstandsfähigkeit und Transparenz in einem hochdynamischen Umfeld zu ermöglichen.
Im Forschungsbereich „Vernetzte Produktionslogistik“ beschäftigen wir uns im Zusammenhang mit aktuellen Forschungs- und Industrieprojekten mit der Entwicklung und Erforschung neuer Cyber-physischer Systeme, Steuerungs-, Sicherheits- und Logistikkonzepte. Darüber hinaus spielt die Ortung der einzelnen Systembestandteile eine entscheidende Rolle.
Cyber-physische Systeme
Um das volle Potenzial eines Logistiksystems in einer hochdynamischen Umgebung auszuschöpfen, ist der Einsatz von verschiedenen Cyber-physischen Systemen (CPS), wie z. B. autonome mobile Roboter, Smarte Lagersysteme und Smarte Ladungsträger erforderlich. CPS werden als Verbindung der physischen mit der virtuellen Welt beschrieben. Sie können Aktionen initiieren, sich gegenseitig steuern und ermöglichen den Informationsaustausch über das Internet, auch bekannt als "Industrielles Internet der Dinge (IIoT)".
Darüber hinaus spielt neben der Vernetzung der Intralogistikkomponenten die Aufhebung der klassischen Trennung zwischen Produktion und Logistik eine wichtige Rolle. Die einzelnen Logistikkomponenten können sich bei Bedarf als Cyber-physische Systeme mit weiteren Produktionskomponenten zu Cyber-physischen Produktionssystemen zusammenschließen. Hierfür wurden im Rahmen des Projektes „Fluide Produktion“ verschiedene CPS mit dem Ansatz der Verwaltungsschale (VWS) entwickelt. Die VWS ist ein Standard für digitale Zwillinge, der von der Plattform Industrie 4.0 eingeführt wurde und für die semantische Selbstbeschreibung verschiedener CPS eingesetzt wird. Durch die intelligente Vernetzung der Logistik mit den dazugehörigen Komponenten, wird die effiziente Planung und Steuerung des Materialflusses ermöglicht.
Ortung in der Intralogistik
Die Lokalisierung spielt in der Logistik, beispielsweise für die Steuerung von Materialflusssystemen oder für die Rückverfolgbarkeit von Materialflüssen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, eine bedeutende Rolle. In der Vergangenheit wurden für die Lokalisierung in der Logistik verschiedene Technologien entwickelt. Die bekanntesten Lokalisierungstechnologien sind neben dem Global Positioning System (GPS) die Ultrabreitband-Technologie (UWB) oder die Radiofrequenz-Identifikation (RFID), die bereits in der Industrie erfolgreich etabliert sind. Durch die fortschreitende Entwicklung und den Einsatz der 5G-Technologie ergeben sich neue Möglichkeiten. Die 5G-Technologie bietet neben der schnellen Datenübertragung in Echtzeit auch die Möglichkeit für Indoor-Lokalisierung. Dadurch bietet die 5G-Technologie die besten Voraussetzungen für den kombinierten Einsatz in Produktion und Logistik. Am IFT wurden im Rahmen verschiedener Projekte die Technologien RFID, UWB, Bluetooth-Mesh, sowie 5G für die Ortung in der Intralogistik untersucht.
Logistikkonzepte
In der Forschungsfabrik ARENA2036 (Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles) wurden gemeinsamen mit Partnern aus der Industrie und Forschung neue Logistikkonzepte für eine wandelbare Produktion entwickelt. Diese Logistikkonzepte wurden in abstrahierter Form in die Simulation der Fluiden Produktion integriert. Dabei wurde das Ziel verfolgt, neue ablauf- und aufbauorganisatorische Erkenntnisse zum Betrieb der Fluiden Produktion aus Sicht der Logistik zu gewinnen. Um die Entwicklung des FTF-Verkehrsaufkommens in der Fluiden Produktion und insbesondere im Rahmen der Materialbereitstellung zu analysieren, wurden zunächst verschiedene Möglichkeiten zur Messung des Verkehrsaufkommens in einem fluiden Logistiksystem identifiziert und betrachtet. Außerdem wurden anhand des Simulationsmodells relevante Materialbereitstellungsabschnitte, wie z. B. Wareneingangs- oder Lagerbereiche, näher untersucht. Bei der Analyse des Verkehrsaufkommens hat sich bestätigt, dass die Materialflusssteuerung und die Materialbereitstellungsstrategien wichtige Beeinflussungsmöglichkeiten zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens in fluiden Produktions- und Logistikumgebungen darstellen. Dieser Ansatz lässt sich durch den Einsatz von 5G oder RFID in der ARENA2036 validieren.
Steuerungskonzepte
Auch die Steuerungsprinzipien verändern sich im Kontext der wandelbaren Produktionslogistik. Bedingt durch die Kurzfristigkeit der Entscheidungsfindung und die vielen zur Auswahl stehenden Entscheidungsoptionen, geht mit der Steuerung dieser Systeme eine hohe Komplexität einher. Das IFT beschäftigt sich in diesem Themengebiet unter anderem mit der Entwicklung und Erprobung von Steuerungskonzepten. Mit Hilfe von Simulationswerkzeugen werden beispielsweise die Auswirkungen von Steuerungsmechanismen getestet.
Im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte hat sich das IFT mit dezentralen Steuerungsstrukturen beschäftigt und in diesem Zusammenhang verschiedene Steuerungsstrategien entwickelt. Derzeit werden im Projekt HaProLoK, aufbauend auf diesen Ergebnissen, verschiedene Stell- und Regelgrößen des produktionslogistischen Systems untersucht, die intern als auch extern einen großen Einfluss auf ein Produktionsunternehmen haben.
Sicherheitskonzepte
Der Wandel in Produktionen von starren Strukturen hin zu flexiblen Abläufen bringt umfassende Veränderungen mit sich. Beispielsweise sollen fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) nicht mehr einem fest definierten Weg folgen, sondern sich frei und flexibel bewegen können. Da der Mensch und FTF in der Industrie sehr nah beieinander arbeiten oder sogar interagieren, müssen daher langfristig neue Sicherheitskonzepte zur Absicherung der FTF entwickelt werden.
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Sicherheitssensorik für Serviceroboter in der Produktionslogistik und weiteren Anwendungen“ (S³), forscht das IFT zusammen mit mehreren Partnern an einer sicheren 3D-Umgebungssensorik für den Einsatz bei mobilen Robotern. Mit dieser Sensorik sollen neben einer sicheren 3D‑Umgebungsüberwachung weitere Funktionen wie die Differenzierung zwischen Personen und Objekten sowie die Erkennung von Unregelmäßigkeiten realisiert werden. Durch dieses Projekt eignet sich das Institut für Fördertechnik und Logistik Kompetenzen im Bereich Sicherheit, Sensorik und ROS (Robot Operating System) an.
Lehre
Die im Rahmen der Forschungstätigkeiten gewonnenen Erkenntnisse werden den Studierenden in verschiedenen Vorlesungen zugänglich gemacht. In diesem Themenumfeld werden regelmäßig studentische Arbeiten vergeben. Wenn Sie interessiert sind, wenden Sie sich gerne an Herrn Ali Bozkurt.
Ihr Ansprechpartner
Ali Bozkurt
M.Sc.Vernetzte Produktionslogistik